Tom Walter · Gedichte

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durch die nacht

mir strömt aus einem blumenduft vergänglichkeit entgegen
ein blättchen trudelt unbeschwert in meine hand
von allen wegen die ich fand da wo ich mutig war
auch ganz verwegen zerblüht die zeit
schwarzgrau die farbe dort an jener wand

kapuzenjugend sprüht ihr leben klagend an die wände
von großstadtsklaven tönt ein lied
aus einem jungen roten mund
jongleure klopfen fordernd laut an windschutzscheiben
ein brückenbettler weint
in seinen armen schläft ein toter hund

dies alles ich und das was um mich tanzt
macht keinen ausschlag mehr
mein herz ist müd' es will zum schlaf sich legen
gelebte träume sind zu hunderten geschichte
nein nichts in mir
rein gar nichts mehr
ist irgendwie dagegen

 

® Tom Walter im trüben November 2019

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Vom Jetzt


So strömt im Tunnel aller Zeiten
die Zukunft in ein unbestimmtes X.
Dem Augenblick ist Zögern fremd.
Aus hell gebläutem Allerlei steigt wie ein Dunst
ein antipodisch weit gedachtes Licht ins Nichts.
Dem Abwärts bleibt kein Halt.
Ein Regenfall patscht vielerlei in ausgedörrte Spuren,
ganz still ist Atem aus dem Mund der Nacht.

 

® Tom Walter August 2019

 

Tom Walter

® Tom Walter 08.08.2019

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Du

Du bist gedeckter Tisch, ein Meer von bunten Blumen;
du bist mein liebster Augenblick.
Du bist der tiefschwarz stille See,
der bodenlos im Walde schlummert;
auch Fluss bist du, der aus den Bergen strömt.
Du bist mein erster Sonnenstrahl,
der durch den Tag mich balanciert,
mein letzter wirst du sein, wenn es die Zeit so will.
Und ach, dies will ich auch dir sagen:
Du bist so nah mir stets, an jedem Ort,
der mir den Boden gibt als Halt,
mag es auch sein so fern im Tausendmeilenweit.

® Tom Walter März. 2019

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Über alles

Als einst von einem Tod ich dachte,
da war mir wie ein Frühling.
Als einst von einem Meer ich träumte,
da war mir Endlichkeit im Blut.
Als einst von einem Kuss ich fühlte,
da schlug mein Herz so schnell.
Als einst ein Tausendschön ich sah,
vergaß ich Frühling, Endlichkeit und mich.

® Tom Walter Febr. 2019

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Ausflug

Ich hab mich an den Wald gelehnt
Um mir den Rücken frei zu halten
Des Blickes Überalltentakeln – emsig unterwegs
Vom Finden träumt mein Suchen weit und immer weiter
Der Tag verblüht, wir zwei erkalten
Und als die Allesnacht sich dehnt
Da giert die Dunkelheit nach mir
Des Tannes Kinder holen mich zurück

 

® Tom Walter Nov. 2018

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Augenblick

Auf einer Blumenleine, geflochten aus des Sommers Bunt,
weht auf und ab ein rotes Kleidchen.
Gebräunte, duftende Haut liegt drunter.
Tanzende Finger an gestreckten Armen bohren sich in den Himmel.
Spiele mit Licht und Schatten.
Aus Augenschlitzen strahlt große Liebe.
Das Näschen voller Sommersprossen.
Der Mund gespitzt, bereit zum Kusse.
Die Zehen probieren Klavierspielen in der Luft;
einer grün, einer rot, einer gelb, der Rest ebenso bunt wie die Welt.
Ein Schmetterling landet auf nacktem Bauch,
offen seine Flügel, macht Augenblicke groß.
Weiße Wölkchen am oberen Hellblau zerfallen.
Das Gras unter ihr kühlt.
Die Hand, die nach ihr sucht, wärmt.

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Wecker

In einem blassblauwolkenfreien Himmel, da schreibt ein Flieger deinen Namen ins Ozon.
Was macht das schon, wenn bald das Wort im himmelblauen Nichts zerfällt?
Uns ist die Welt so einerlei. Was sind schon Namen und ein blasses Blau?
Hier liegen, so mit Gänseblümchenlippenmund, verbunden mit Gedankenseilen, auf denen Fantasien mit bunten Fächern tanzen, das, ja, das ist das, was uns von all den andern trennt, von denen, deren Liebe schläft.

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Rock 'n' Roll

Am Morgen schrägte noch die Sonne ins Zimmer.
Später spülte der Sturmregen die Tagesstunden fort.
Wir wisperten mit Rotweinlippen, hockend in weißen Leinen,
bei dreiunddreißig Grad Kohleofenhitze Liebwertes bis hin zur Mitternacht.
Und setzten die Segel.
Hart am Wind, durchnässt und keuchend,
schipperten wir um unsere Welten herum;
nie zu weit, nie zu nah, nie zur Mitte.
Erst ein Hahnenschrei ließ uns erstarren,
machte uns stumm, trieb uns auseinander,
jeden in eine andere Richtung – der Sturm hatte sich gelegt.

Morgenrot.
Die Sonne schrägt in ein leeres, käufliches Zimmer.
Das Gegenteil von teuer war es gewesen.

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Vom Einst

 

Da war ein Wind, ein Wald, ein Fluss,
ein Gestern, das im Raume schwang,
ein Moos war da, ein Blätterregen,
ein Duft, der dort im Gras gelegen,
ein Halbes meiner selbst – im Sinn,
ein Weg, verwaist, da will ich hin.


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Pacman

 

Der Mond frisst sich wie Pacman durch die Nacht,
verschluckt den Stern, der deinen Namen trägt,
ein Nerd, der Mond, das hättest du gesagt,
nun schläfst du fest, du hast dich hingelegt.

Ich halt dein iPhone in den Fingern – lösche meine Nummer,
die andern auch, ich kann das Klingeln nicht ertragen,
die letzte SMS hab ich gerahmt für alle Ewigkeit,
jetzt fliegt das Handy Richtung kleiner Wagen.

Durchs Kerzenmeer streift deine kleine Katze,
miaut, ich weiß, du wirst das Tapsen spüren,
grad seh ich, wie es hell am Himmel blinkt,
zurück geblinzelt, zu Befehl, du willst mich wohl verführen?

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Jahre jäten

 

Ich male Meer und mehr,
still mahlend hinter Lippen,
zerteile Worte, Sätze, orte;
denk mich aus Kismet aus,
und ab und an – an dich.

Zerwürfel Jahre, spiel ums Leben,
dreh mir am Rädchen meine Finger rot,
hoff', dass die Sechs nicht kommt, du weißt …
will mir das Nehmen geben,
um zu verschenken es …,
sie kommt,
uns ist die Liebe tot.

Bin Tumbleweed in dumpfen Gassen.
Des Nachhalls Atem: bittersüßes Raunen.
Gequältes Ichsein bangt in letzter Nacht
und schweres Wasser wird zu weichen Daunen,
wie Farbe blass – sie ist für mich gemacht.

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umsicht

 

vier ecken und ein kreis
ich weiß nicht was ich weiß
zylinder und trapez
man sagt mir stets
zu weit zu hoch zu nah
das war schon früher da
zu parallel zu glatt zu hart
gezirkeltes quadrat
vier kreise keine ecke
wo ich mich auch verstecke

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Für Emma - 26.12.2004

 

Schäumend, stampfend, schraubt ein Kutter
schnaufend sich gen Horizont,
Möwen streiten sich ums Futter,
Flügelschlagend, wohl gekonnt.

Wind kommt auf, will böse werden,
Blitze duellieren sich,
fechten funkenschlagend heftig,
spalten Himmel, nur für mich.

Lodernd liegt das Schwert des Abends,
blutrot triefend in der See,
Wasser hat dich fortgetragen,
meine Haare weiß, wie Schnee.

Weit, so weit, am Weltenende,
ahne ich dich, seh' dich schlafen,
hab zwei Ringe an den Fingern,
sind mein Gold, sind Du, mein Hafen.

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Mittagsschlaf und Fensterblicke


Dein Puddingmund schmeckt süß,
jetzt ab ins Bad, mein Schatz, sei still!
Was ich am Fenster sehe, willst du wissen?
Ob Kühe ihre Kälbchen küssen?
Wir wissen’s morgen, so Gott will.

Ein Flugzeug kurvt am blauen Himmel.
Die Sonne wärmt den Lorbeerbusch.
Die Bahn wird grad verschluckt vom Tunnel.
Ein Steinbock schafft die Klippe nicht …,
jetzt rasch ins Bettchen, los, husch, husch.

Ach ja, die Kuh vergaß ich. Deck dich zu!
Ein Kälbchen hat so seine Frist.
Ob es ein Mädchen wird, wie du?
Da fragst du etwas, was auch ich nicht weiß,
ich weck dich, wenn es so weit ist.

Na klar lass ich die Türe offen!
Und ja, natürlich hat sie dich noch lieb,
mich auch, das will ich ja wohl hoffen,
der Steinbock wird die Mama grüßen,
komm sing uns noch ihr Lieblingslied.

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rien ne va plus


Wo ist sie hin, die Schlampe Nacht? Wohin?
Sie hat mich dir zur Ansicht dagelassen,
schlussendlich war's das wohl, mit feiern, prassen,
du bittest mich, dich anzufassen.

Doch ist die Nacht vorbei, du weißt,
die Morgensonne leckt sich an dir hoch,
ich seh dich noch im Dunklen schimmern,
dort in der Bar, wo man in Hinterzimmern spielte,
mit dem Rest der Welt.

Die Dreiundzwanzig war's, die dich in meine Arme trieb,
das Sechsunddreißigfache weckte dich, mir blieb,
nichts weiter übrig, als dich mitzunehmen,
da war noch nichts mit küssen, stöhnen.

Du fauchst, dass man, in deinen Kreisen,
bereits den Willen dir belohnt und flüchtest dich zurück ins kleine Schwarze,
vom Zahlen sprichst du aufgeregt im Bad, wo du versuchst,
den Vornachtzustand wieder herzustellen,
du kreischt, dein Umsichschlagen rauscht wie Wellen,
durch alle Räume, als du gehst.

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ganz still


die wege sind rein so sollte es sein
gekehrt ist die stadt mit den eisernen besen
so war es auch früher bei oma gewesen
ansonsten ist alles ganz still

das blaulicht längst blind wer weiß wo sie sind
kein wimmern kein beten kein hasten kein jagen
wer schrie nur soeben man soll sich vertragen
ansonsten ist alles ganz still

die menge aus eis so rot tropft der schweiß
und schweigen am rund wo die schlafenden liegen
ein kind ruft zwei namen wo sind sie geblieben
ansonsten ist alles ganz still.

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Reminiszenz


Aus grauen Lidern trieft des Siebenschläfers Lied,
es schert mich einen feuchten Septakkord,
Achillessehnen reißen draußen in den Pfützen,
ein Jogger droht dem Himmel: Mord!

Das Tagesschluchzen seufzt sich in den Abend,
ein Regenecho wimmert aus dem Blau,
das grau ist, wie der alte Walker,
mit einem Gehstock jagt er eine Frau.

Besoffen jodeln hier die Stare,
sie rieseln hundertfach vom Baum,
verführt von faulen Kirschen auf dem Ästetresen -
ich denk an Shakespeare, Wodka und den Traum;
von Sommernächten heiß, für kurze Zeit,
so wie's im Mai war, unten, in der Schlucht,
die Stille dort, sie hatte dir gefallen,
noch liegst du da,
man hat dich nie gesucht.

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Vom Finden


Zum x-ten Mal gelegen in der Sonne
und tausendfach den Himmel angebohrt;
mit Fingern weiße Wolken weggeschnippt,
den Tag, das Jahr – er trat sie in die Tonne.

Des Wartens müde, noch bevor die Nacht ihn holte,
schritt balancierend er auf kaltem Stahl,
die Arme ausgebreitet tanzte er mit Wonne,
auf Gleisen, zitternd, ja, noch hatte er die Wahl.

Zwei Augen, flackernd, sternengleich im Nebel,
ein Schnaufen, näher kommend, ächzte durch die Nacht.
Ob es ein Käuzchen war, das rief?
Die Weiche stöhnte, schwer der Hebel;
man heuchelte: "Was hat er nur gemacht?"

Zu finden seinen Ankergrund war eine lange Reise.
Vergib mir, stand in ihrem letzten Brief,
das Beben in den Schwellen fuhr ihm in die Glieder,
dann kamen sie, die Geister, die er rief.

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Aussichten


Wenn einst ein Schiff mir käme,
aufgeplustert, ganz in Rage
und mir der Wind von Fern um meine Nase,
auch um den Bart, den langen, wehte,
mir brächte deinen Duft,
ja dann würd ich den Kai verlassen wohl
und gäb das Warten auf.

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Irgendwas


Irgendwas ist langsam,
Irgendwas ist schnell,
Irgendwas ist dunkel
Irgendwas ist hell

Irgendwas schlägt Blüten,
Irgendwas ist tot
Irgendwas ist endlich
Irgendwas noch rot

Irgendwas bleibt immer
Irgendwas bin ich
Irgendwie ist alles
Irgendwas für mich

Irgendwie bleibt immer
Irgendwas im fluss
Irgendwo ist Suche
Irgendwie nie Schluss

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Zwei Worte


Es geht ein Wind, der Staub verfliegt sich,
die See schwingt sich zu hohen Wellen auf,
die Sonne sackt ins Meer und obendrauf,
auf einer Klippe, wankt ein Baum,
kein Dach um ihn zu schützen.
Er biegt sich, krallt sich tief ins felsige Gestein
das alt ist und der Zeit ein Schnippchen schlug.

Vergänglich sind der Wind, der Staub,
in denen weiße Schleier tollen,
kein Funken mehr, wenn sich das Wesentliche reibt,
der Fragen überdrüssig ruht das Wissenwollen auch.
Zwei Worte bleiben ungesagt:
Was bleibt?

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Musenküsse


Ach die Muse,
mir zu Fuße,
hockend, lechzend,
im Jacuzzi,
planschend,
nackt und inspirierend,
stets nach feuchten Küssen gierend,
wartet, dass ich sie besuche,
mir zu Gunsten und dem Buche,
das ich schreibe, ihr zu Ehren,
um die Menschheit zu bekehren.

Schmatzend will sie, saugend, küssend,
sehr wohl um die Dinge wissend,
mich umgarnen, mich verführen,
mit mir spielen, inspirieren.
Doch heut hab ich keine Lust,
gerade wird es mir bewusst;
wenn ich denke, reflektiere,
blieb von ihr, in der Lektüre,
die ich schrieb, nach ihrem Stöhnen,
lesbar, schriftlich, doch nur Gähnen.

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Am See


Das Wasser springt,
wir lassen flache Steine scheppern,
dein Buch droht sich im Winde umzublättern,
der Tag schließt gerade seinen Reißverschluss,
nun kommt, was endlich kommen muss.

Ein Halbmond klebt
auf blauem Samt mit Strass, es funkeln
Sterne auf den Rest der Welt, im Dunkeln,
forderst du den ersten Kuss,
dann kommt, was endlich kommen muss.

Bald stirbt die Nacht,
noch immer Leinenlos wir beide,
zerstreutes Hab und Gut, ich leide,
das Gehen naht, ein schlechtes Muss,
weil kommt, was schließlich kommen muss.

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Spielsucht


Die Erde rollte unter ihren Füßen,
auf Wegen, auf dem Grün der Wiesen,
die Augen rollten hoch zum Mond
und mein Vergessen altert stetig.

Die Kinder tollen an den Sümpfen,
fast nackt auf toten Fichtenstümpfen,
gar gierig pulst es aus dem Moor,
das willig ist und kurz davor.

Der Sog war kurz und kalt und tödlich,
man mühte sich und schrie ganz redlich,
die Erde fraß das warme Kind,
wer weiß, wo all die andern sind.